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ÜBER DIESES PROJEKT

Unsere beiden AudioWalks nehmen Sie mit auf eine Reise durch das jüdische Czernowitz und Chişinău und ermöglichen Ihnen, viele der fast vergessenen Orte des jüdischen Lebens in den Städten zu entdecken.

Nutzen Sie unsere Multimedia-Karten und erkunden Sie dabei das Archivmaterial sowie die Familienbilder und persönlichen Geschichten von 21 jüdischen Holocaust-Überlebenden, um einen einzigartigen Einblick in das vielfältige jüdische Erbe dieser beiden europäischen Städte zu erhalten.

Denkmal für die Opfer des jüdischen Ghettos
Denkmal für die Opfer des jüdischen Ghettos

Denkmal für die Opfer des jüdischen Ghettos

Element 340
Strada Puskin 43 / Strada Ierusalim
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In der Strada Ierusalim, eingerahmt zwischen dem mehrspurigen Bulevardul Grigore Vieru und der Strada Puskin, befindet sich das Denkmal für die Opfer des jüdischen Ghettos von Chişinău. In der Nähe lag der Haupteingang zum ehemaligen Ghetto, das im Juli 1941 im unteren Teil der Stadt errichtet worden war, nachdem deutsche und rumänische Einheiten die Kontrolle über Chişinău übernommen hatten. Über 11.000 Juden – Männer, Frauen und Kinder – wurden in das Ghetto gezwungen, innerhalb kürzester Zeit. Eine Planskizze auf der Infotafel zeigt die räumliche Ausdehnung des Ghettos in Richtung des Flusses.
Die genaue Anzahl der zu der Zeit in der Stadt verbliebenen Juden ist nicht bekannt. Einige wurden vor dem Krieg von der sowjetischen Regierung deportiert, andere wurden evakuiert oder in die Rote Armee eingezogen. Tausende konnten oder wollten die Stadt jedoch nicht verlassen. Ida Voliovich war eine derjenigen, der die Flucht gerade noch gelang. Im Centropa-Interview erinnert sie sich daran:

Früh am Morgen hörte ich Explosionen […]. Mama und ich schnappten unsere Dokumente und verließen das Haus. Mama zwang mich, meinen Mantel anzuziehen, den mir mein Onkel aus Belgien geschickt hatte. Sie hatte auch ihren Mantel an. Das war alles, was wir hatten. Unterwegs kamen wir bei Tante Tsypa vorbei und versuchten sie zu überzeugen, sich uns anzuschließen. Sie lehnte ab und sagte, […] dass sie die Sowjetmacht satt hätten und auf die Rumänen warten wollten. Mein Bruder Kelman war in der Armee. Seine Frau Dora und ihr Kind blieben ebenfalls. Sie und mein Neffe Michail sowie Doras Vater kamen 1941 im Ghetto von Chişinău ums Leben. Auch meine Tante Tsypa und ihr Mann starben im Ghetto.

Das Gelände des Ghettos wurde bewacht und war umgeben von einem vier Kilometer langen Holzzaun mit Stacheldraht. Von Beginn an war das Ghetto als Übergangslösung gedacht, zur Konzentration der Juden der Stadt. Von hier aus sollten sie schließlich in transnistrische Lager deportiert werden. Die Zustände im Ghetto waren verheerend und menschenunwürdig. Krankheit und extremer Hunger waren ebenso an der Tagesordnung wie Vergewaltigungen und andere Formen exzessiver Gewalt. Mehrere Hundert Insassen wurden im August [1941] exekutiert. Riva Belfor schildert im Interview mit Centropa den Tod ihres Großvaters und dessen Frau:

Reizl war die dritte Frau von Großvater Ihil. Sie war seine letzte Frau. Sie war ein Trost für meinen Großvater in der letzten Phase seines Lebens und war wie er selbst dem Untergang geweiht. 1941 kamen die Deutschen nach Bessarabien. Ihil wollte nicht evakuiert werden, also starb er mit seiner Frau im Ghetto von Chişinău. Es war ein schrecklicher Tod. Mein Vater erzählte mir, dass mein Großvater mit einem riesigen Fass voller Wasser so lange laufen musste, bis er tot umgefallen war, während sich die Wachen über ihn lustig machten. Kurz darauf wurde Reizl erschossen.

Anfang Oktober 1941 begannen die Massen-Deportationen nach Transnistrien. Tote pflasterten den Weg der Märsche. Auch Polina Leibovich wurde auf die Reise ins Ungewisse gezwungen:

Vor der Annexion Bessarabiens an die UdSSR übten rumänische Truppen in der Nähe von Chişinău, und ein hochrangiger rumänischer Offizier blieb in unserer Wohnung. Als die deutschen und rumänischen Truppen 1941 nach Chişinău kamen, hinterließ er ein Zeichen an unserer Tür, dass ein rumänischer Offizier bei uns wohnte. Das half uns, den Durchsuchungen für einige Zeit zu entgehen. Im Herbst wurden wir jedoch in das Ghetto von Chişinău gezwungen, und im Januar 1942 wurden alle Insassen des Ghettos über den Dnjestr in die Gegend rund um Odessa gebracht. Mein Vater war sehr krank, und es gelang mir, einen Platz in einem Zugwaggon für ihn zu bekommen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn sah. Er wurde in der Nähe des Dorfes Yasinovo in der Region Odessa getötet. Meine Mutter blieb bei mir. Sie konnte nicht laufen, und wir zogen sie an ihren Armen. Unterwegs begannen sie, erschöpfte Menschen zu töten. Ich überlebte wie durch ein Wunder und […] konnte fliehen. Es war eine frostige Nacht. Es war windig und fing an zu schneien.

Bis Ende Oktober waren die Deportationen weitgehend abgeschlossen, nur wenige Juden verblieben in der Stadt. Ende 1942 gab es praktisch keine Juden mehr in Chişinău. Nur wenige überlebten die Lager in Transnistrien.

Das Denkmal für die Opfer des Ghettos von Chişinău wurde 1993 errichtet. Es besteht aus zwei roten Granitblöcken, deren Aussparungen einen Davidstern bilden. Vor den Steinelementen steht eine Bronzefigur. Auf den Granitblöcken steht auf Hebräisch, Rumänisch und Russisch geschrieben: „Märtyrer und Opfer des Ghettos Chişinău! Wir, Lebenden, erinnern uns an Euch!“

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