Navigation

ÜBER DIESES PROJEKT

Unsere beiden AudioWalks nehmen Sie mit auf eine Reise durch das jüdische Czernowitz und Chişinău und ermöglichen Ihnen, viele der fast vergessenen Orte des jüdischen Lebens in den Städten zu entdecken.

Nutzen Sie unsere Multimedia-Karten und erkunden Sie dabei das Archivmaterial sowie die Familienbilder und persönlichen Geschichten von 21 jüdischen Holocaust-Überlebenden, um einen einzigartigen Einblick in das vielfältige jüdische Erbe dieser beiden europäischen Städte zu erhalten.

Jubiläumsplatz heute

2. Jubiläumsplatz

Element 340
Yubileynaya Ploschad
00:00
00:00
  • 00:00

Heute ist der Jubiläumsplatz – auf Belarusisch: Jubilejnaja Ploscha – ein Ort der Unterhaltung, an dem sich z. B. das Belarusische Kino befindet. Während der deutschen Besatzung war er jedoch der zentrale Ort des Minsker Ghettos. Heute erinnert ein Denkmal mit einer Inschrift für alle Opfer des Ghettos auf Belarusisch, Englisch und Hebräisch an die Tausenden von Jüdinnen und Juden, die hier ermordet oder von hier an weitere Orte der Hinrichtung deportiert wurden. 

Auf dem Jubiläumsplatz befanden sich sowohl der Judenrat als auch die sogenannte Arbeitsbörse.

Der Judenrat war der jüdische Rat, der auf Anordnung der deutschen Besatzer eingerichtet wurde, um deren Politik umzusetzen und die Ordnung im Ghetto aufrechtzuerhalten. Zusätzlich zum Judenrat wurde im Ghetto eine jüdische Hilfspolizei mit 200 Mitgliedern eingerichtet, die für die Durchsetzung von Weisungen und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig war. Der Judenrat musste die Zwangsarbeit der Ghettobewohnerinnen und Ghettobewohner organisieren, und die Polizei patrouillierte an den Toren des Ghettos, um sicherzustellen, dass niemand das Ghetto ohne Erlaubnis verließ. Die Rolle des Judenrats war umstritten. Obwohl er deutsche Befehle ausführen musste und somit die Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden im Minsker Ghetto unterstützte, nutzten einige Mitglieder ihre Position auch zur Unterstützung der Widerstandsbewegung. Die Mitarbeit in einer der beiden Organisationen konnte auch dazu beitragen, das eigene Leben oder das ihrer Familien zu retten oder in den Genuss etwas besserer Lebensbedingungen zu kommen. Die Aktionen des Judenrats und der Ghetto-Polizei müssen heute vor dem Hintergrund der Besatzung und der grausamen Lebensbedingungen im Ghetto beurteilt werden.

Jeden Tag wurden jüdische Arbeitsbrigaden von der jüdischen Polizei vom Jubiläumsplatz zur Zwangsarbeit in die Stadt eskortiert und kehrten erst spät in der Nacht zurück. Elena Drapkina gehörte zu einer solchen Zwangsarbeitsbrigade:

„Einen Tag später ging ich zum Arbeitsamt. Sie gaben mir eine Arbeit im Hauptlager der Eisenbahn. Das Lager war sehr groß, und sie brachten Seifenpulver, Besen und andere Waren aus Deutschland. Wir waren 19 Mädchen; wir mussten Güterwagen be- und entladen. Die Deutschen brachten uns mit einem Lastwagen hin und zurück, da das Lager weit vom Ghetto entfernt war. So arbeitete ich dort ab Ende Herbst den ganzen Winter hindurch. Viele Juden arbeiteten, aber nicht alle. Es gab viele Frauen mit kleinen Kindern und eine Menge alter Männer.”

Juden mussten sich auf dem Jubiläumsplatz versammeln, bevor sie zu der Hinrichtungsstätte geführt wurden. Dies passierte vor den Massakern am 2. und 3. März 1942 und am 30. und 31. Juli, bei dem sie Tausende von jüdischen Gefangenen zusammentrieben und sie öffentlich erschossen. 

Bei diesen sogenannten Aktionen drangen die Nazis in Häuser ein, nahmen Jugendliche, ältere Menschen und Frauen gefangen und richteten sie hin. Diese Aktionen fanden fast jede Woche statt: Ein Teil des Ghettos wurde umstellt, und es war den Bewohnerinnen und Bewohnern unmöglich, ihn zu verlassen. Alle Menschen, die in diesem Teil des Ghettos angetroffen wurden, wurden ermordet. Später wurde der Sektor aus dem Ghetto ausgeschlossen, wodurch sich das Ghettogebiet allmählich verkleinerte und die jüdische Bevölkerung immer weiter zurückging. 

Elena Drapkina beschreibt das Grauen dieser Razzien: 

„Die Deutschen und einige lokale Bürger inspizierten die Häuser. Ihr Ziel war es, Männer zu finden. […] Am Morgen des 28. August lag ich noch im Bett. Mein Platz zum Schlafen war auf dem Tisch, weil das Zimmer überfüllt war. Mein Onkel kam herein und informierte uns über die Polizisten. Wir wussten sofort bescheid, denn mein Großvater und meine Tante waren bei einer ähnlichen Fahndung am 7. November verschwunden. Sofort sprang ich auf, zog mir etwas an und eilte unter die Treppe. Dort bauten unsere Männer eine Art Schutzgraben: Der schmale Raum wurde von einer Seite mit einer Platte abgedeckt und mit Kleidung verhängt. Es gelang mir, hineinzuspringen. Der Raum war bereits voll mit Menschen. Dort standen wir den ganzen Tag lang. Unter uns war eine Frau mit einem kleinen Kind, und wir hatten alle Angst, dass das Kind schreien würde. Die Deutschen drangen in die Häuser ein, durchkämmten die Räume und holten alle heraus. Wir hörten alles um uns herum: Leute, die die Treppe hinauf- und hinuntergingen, und meine Mutter, wie sie sagte: ‚Wartet einen Moment, ich ziehe meinen Mantel an.‘

Alle meine Verwandten wurden aus Minsk weggebracht und durch Erschießen hingerichtet. Heute kann ich nicht verstehen, wie ich es geschafft habe, die Folter zu ertragen, die den ganzen Tag dauerte. Dank Papas älterem Bruder, der uns vor der Fahndung warnte, hatte ich genug Zeit, mich zu verstecken und zu fliehen.“

Weiterlesen